Der kontroverse Nobelpreis
Roberto F. Campos
Der Nobelpreis für Ökonomie, der dem
Franzosen Jean Tirole für seine Arbeiten über die
Macht der Märkte und ihre Regulierung verliehen
wurde, wird von Experten als so widersprüchlich wie
die Ökonomie selbst mit ihren Tendenzen und
ungelösten Aufgaben eingeschätzt.

Der
Franzose Jean Tirole erhielt die Auszeichnung für
seine Studien
über die Macht der Märkte und ihre Regulierung
Diese fast absolute Wahrheit wird
von vielen Stimmen verkündet, die auch die Anzahl
der Preise dieser Art in Händen von Vertretern der
reichen Länder interpretieren, vor allem von denen
aus den Vereinigten Staaten, in einer Zeit, in der
sich die Waagschale der Welt den Krisen zuneigt, die
von eben diesen ökonomischen Systemen hervorgerufen
werden.
Der Preis als solcher, der unter dem
Namen Nobelpreis für Ökonomie bekannt ist, wird von
der Bank Schwedens – in Gedenken an Alfred Nobel –
für Wirtschaftswissenschaften verliehen.
Besagte Auszeichnung wurde 1968 von
der Bank Schwedens, der ältesten Zentralbank, aus
Anlass ihres 300jährigen Bestehens eingerichtet.
Dieser Preis, über den die Königlich
Wissenschaftliche Akademie Schwedens entscheidet,
ist der, der die Reihe der Auszeichnungen dieser Art
jedes Jahr im Oktober abschließt und er ist, wie der
Friedensnobelpreis, unter nicht mehr als drei
Personen teilbar.
Jedoch kommt für diesen Preis nicht
die Nobel-Stiftung, sondern die bereits erwähnte
Bank Schwedens auf, auch wenn die Preishöhe mit 10
Millionen Schwedischen Kronen den anderen Preisen
entspricht.
Diese Anerkennung wurde von 1969 an
bis heute an 71 Ökonomen verliehen.
Und genauso wie der
Friedensnobelpreis mit seinen Kontroversen gibt auch
der Wirtschaftspreis Anlass zu Kritik. Einige
Stimmen fragen sich, warum die Mehrheit der
Preisträger aus den reichen Ländern kommt und warum
bei der Nominierung keine Lateinamerikaner
berücksichtigt werden, die in ihren Ökonomien
substantielle Veränderungen auf den Weg gebracht
haben.
Wie einige Analysten feststellen,
leitet der Preis sein Prestige aus der Verbindung
mit den ursprünglichen Nobelpreisen ab, obwohl
Alfred Nobel nie die Absicht bekundet hat, diese
Disziplin zu prämieren.
Der Preisträger von 1974, Friedrich
Hayek, ein Vertreter der Österreichischen Schule,
erklärte beizeiten seine starke Ablehnung dem Preis
gegenüber.
Er fügte hinzu, dass kein Mensch
als Referenz bei einem solch komplexen Thema wie der
Ökonomie gelten sollte, während der Schwede Gunnar
Myrdal, ein weiterer Preisträger, sich dafür
aussprach, den Preis abzuschaffen, weil er an
Reaktionäre wie ebendiesen Hayek verliehen werde.
Auf der anderen Seite rufen die
Liste und die Wahl Zweifel hervor, weil sie
vorzugsweise Ökonomen berücksichtigen, die als
orthodox eingestuft werden und den heterodoxen
Strömungen entgegenwirken, wodurch die Führerschaft
der Vereinigten Staaten hervortritt.
Diese Kritiker weisen darauf hin,
dass Tendenzen wie die Schule von Chicago prämiert
werden, die gleich zehn Preise einheimste, und dass
im Allgemeinen unter den Preisträgern zu 65%
US-Bürger und zu 15% Briten sind.
Außerdem wurde bis jetzt nur eine
Frau mit dem Preis bedacht (Elinor Ostrom, 2009).
In dieser Bilanz wir außerdem
angedeutet, dass auch der Preis für Physiologie und
Medizin durch die Vorherrschaft der Vereinigten
Staaten Schieflage aufweise, ohne dafür kritisiert
zu werden.
Eine kürzlich aufgestellte Analyse
über die Nobelpreise für Wissenschaften im
Allgemeinen lenkt die Aufmerksamkeit darauf, wie
selten man in diesen Listen auf einen
Lateinamerikaner stößt.
Das hängt von den Investitionen der
Regierungen in die Universitäten ab, obwohl in den
letzten zwei Jahrzehnten die Anzahl der
wissenschaftlichen Arbeiten, die aus
lateinamerikanischen Zentren stammen, sich
versechsfacht hat und 4,3 % der weltweit
publizierten Studien ausmacht. (PL)
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