IM kommenden Oktober wird es in Brasilien neue
Präsidentschaftswahlen geben. Es kandidieren drei
Hauptkandidaten: Dilma Rousseff von der regierenden
Arbeiterpartei, Aecio Neves von der Partei der
Brasilianischen Sozialdemokratie (PSDB) und Marina
Silva als Nachfolgerin für den tödlich verunglückten
Eduardo Campos von der Sozialistischen Partei
Brasiliens (PSB).
In diesem Interview, das per E-Mail noch vor dem
tragischen Tod von Campos geführt wurde, berichtet
der Präsident der Arbeiterpartei (PT), Rui Falcao,
von den sozialen Errungenschaften, die in drei
Amtsperioden von Lula und Dilma erzielt wurden.
Ebenso legte er die Herausforderungen dar, die eine
mögliche vierte Amtszeit eines Präsidenten der PT
bedeuten würde.
Was sind die Erwartungen innerhalb der PT
bezüglich der Präsidentschaftswahlen im Oktober?
Wir arbeiten auf erfolgreicher Grundlage, weil wir
das politische Projekt repräsentieren, das 40
Millionen Menschen den sozialen Aufstieg brachte,
indem es Brasilien zur siebtgrößten Volkswirtschaft
der Welt machte, und das während der Regierung von
Dilma entscheidende Schritte unternommen hat, um den
historischen Herausforderungen an das Land, wie dem
Mangel an Ärzten in den ärmeren Gemeinden, gewachsen
zu sein.
Und in diesem Wahljahr steht dieses erfolgreiche
Projekt jenen gegenüber, die Lohnkürzungen und
Privatisierung der öffentlichen Dienste anstreben.
Die Brasilianer wissen, dass das Brasilien nach Lula
und Dilma besser ist, als das Brasilien unter der
PSDB.
Der Slogan für die Kampagne von Dilma, den die PT
in ihrem Nationalkongress vorstellte, lautet „Mehr
Änderungen, mehr Zukunft". Welche Vorschläge werden
gemacht?
Wir sind überzeugt davon, mehr als jede andere
Regierung getan zu haben und sind somit legitimiert,
auch weiterhin zu regieren. Mit dem Mindestlohn kann
man in Brasilien heute viel mehr kaufen als unter
anderen Regierungen. Wenn Sie an irgendeine
Wohnungstür klopfen und die Familie befragen, werden
Sie sehen, dass es viel weniger Arbeitslose als
unter den vergangenen Regierungen gibt. Warum? Weil
die Arbeitslosigkeit unter der PT-Regierung den
niedrigsten Stand aller Zeiten in Brasilien
erreichte. Und mit Programmen wie ProUni oder Fies
kann der Sohn eines Arbeiters oder einer
Hausangestellten die Universität besuchen. Das sind
strukturelle Veränderungen, die wir in der
brasilianischen Gesellschaft gefördert haben.
Ebenso sind wir auch die ersten, die von der
Notwendigkeit überzeugt sind, das Land weiter
umzuwandeln und zu verändern. Und wir haben nicht
alle notwendigen Änderungen vollzogen, weil zwölf
Jahre eine sehr kurze Zeit sind. Um die
Umgestaltungen, die Brasilien noch benötigt, zu
vertiefen, schlägt die Regierung unserer Koalition
vier Reformen vor: in der Politik, dem Bund, den
Städten und bei den öffentlichen Dienstleistungen.
In wirtschaftlicher Hinsicht werden wir Brasilien zu
einem neuen Wachstumszyklus führen, weil unser
produktiver Sektor wettbewerbsfähiger wird.
Welche Rolle wird der frühere Präsident Lula da
Silva spielen, sowohl während des Wahlkampfs als
auch in einer neuen Regierungszeit?
Der Einsatz Lulas in diesem Wahlkampf ist total:
Er ist weiterhin eine der wichtigsten
Persönlichkeiten der PT, und so wird es auch bei
dieser Wahl sein. Sein Zeitplan sieht Besuche in
Gebieten mit größerer Wahldichte vor, aber auch in
jenen, wo wir die Führung ausbauen können, wie im
Nordosten. Außerdem beteiligt sich Lula an den
Aufnahmen der Wahlspots für die zur Verfügung
stehenden Sendezeiten.
Wie steht es um die Opposition zur Regierung? Was
denken Sie, sind die Hauptunterschiede der Kampagne
der PT zu dem, was Aecio Neves, der wichtigste
Kandidat der Opposition, sagen wird?
Die Opposition führt eine Kampagne, die auf
Pessimismus beruht, auf der Verteidigung der
Interessen jener, denen die gesellschaftlichen
Veränderungen, die in Brasilien stattgefunden haben,
nicht genehm sind. Sie stützen sich auf einen
Diskurs, der keinen Dialog mit den gegenwärtigen
Realitäten des Landes führt. Unsere Bevölkerung
hatte noch nie Zugang zu so vielen Rechten, besaß
noch nie eine solche Kaufkraft und konnte noch nie
Anspruch auf so viele Errungenschaften erheben, die
früher unerreichbar zu sein
schienen. Um eine
Vorstellung von dem zu bekommen, was das bedeutet,
können wir mit Stolz sagen, dass wir zum ersten Mal
in der Geschichte mehr Wähler haben, die einen
Hochschulabschluss besitzen, als solche, die
Analphabeten sind. Das ist eine Tatsache, die das
neue Brasilien, das wir erbauen, veranschaulicht.
Wir sind auf einem Niveau nahe der
Vollbeschäftigung, das erobert wurde, weil es der
Regierung von Dilma gelungen ist, mehr als 5
Millionen Arbeitsplätze in Brasilien zu schaffen,
während die Weltwirtschaft mehr als 60 Millionen
Arbeitsplätze abschaffte. Die Wahlperiode dient uns
dazu, den Brasilianern zu zeigen, was wir getan
haben, um das Leben aller zu verbessern, und was wir
tun werden, um diese Errungenschaften auf ein neues
Niveau zu heben.
Was ist mit dem jüngsten Bericht der Banco
Santander passiert, der ihren Kunden ankündigte,
dass im Falle von Dilmas Wahlsieg sich die
Wirtschaft verschlechtern würde? Was ist Ihre
Meinung zu dem Thema, als Vorsitzender der PT?
Diese Episode hat sich inzwischen erledigt. Die
Leitung der Bank schadete sich damit nur selbst und
beschloss schließlich, zurückzutreten. Wir
verurteilten nur die Verzerrung des Berichts, der
die Situation nicht wiedergab. Er besagte, dass wenn
Dilma die Wahl gewinnt, es noch schlimmer werde. Das
ist keine technische Bewertung, sondern ein
politisches Urteil, das auf einer reaktionären
Ideologie beruht und auf der Unwissenheit von
Sektoren, die unser Projekt nicht kennen oder
verärgert sind über die sozialen Umgestaltungen, die
die Regierungen der PT herbeigeführt haben. (Entnommen
aus Rebelión)