Als Morales im Jahr 2005 sein erstes Mandat
erhielt, sagten ihm die kapitalistischen
Technokraten und die rechtsgerichteten Kräfte der
Region voraus, dass er nur kurze Zeit an der Macht
bleiben würde, da er – wie sie meinten – nicht über
die notwendigen Kenntnisse verfüge, um seine
antineoliberalen Projekte in die Tat umzusetzen und
ein neues Land zu schaffen, wie er es seit seiner
ersten Wahlkampagne versprochen hatte.
Der Regierungschef vereitelte jedoch nicht nur
die zahlreichen Pläne seiner Feinde, ihn zu stürzen,
sondern schaffte es, dass Bolivien in den letzten 13
Jahren eine kontinuierliche Entwicklung erreichte,
deren Gewinne für das soziale Wohlergehen eingesetzt
wurden, dank neuer wirtschaftlicher Methoden, die
den Gesetzen des Marktes nicht rigid unterworfen
wurden.
Im vergangenen Jahr verzeichnete das Andenland
ein Wirtschaftswachstum von 6,8 % und seine
Rücklagen stiegen von 8 Milliarden Dollar im Jahr
2006 auf derzeit 33 Milliarden, haben sich also in
den letzten sieben Jahren vervielfacht. Nach den
Berechnungen des Internationalen Währungsfonds wird
diese Tendenz weiter anhalten, wobei für dieses Jahr
5,1 Prozent und für 2015 dann 6,8 Prozent Wachstum
vorgesehen sind.
Die Regierung von Evo Morales, die die
wichtigsten Wirtschaftsbereiche nationalisierte —
Erdöl und Gas — und die Letztgenanntes sowie das
Lithium industrialisierte, kann sich auch einer
transparenten Verwaltung rühmen, in der es bis heute
keine Fälle von Korruption und Abzweigung von
Ressourcen oder andere negative Entwicklungen gibt,
die einige lateinamerikanische Länder behindern.
Ebenfalls günstig wird sich auch das neue
Investitionsgesetz auf die wirtschaftliche
Entwicklung auswirken. Es scheint ein Erfolg zu
werden angesichts der Sicherheit, die das Land dank
einer sorgfältigen Planung dem ausländischen Kapital
gewährt. Darüber hinaus wird sich für Bolivien auch
ein Vorteil aus dem Reichtum ergeben, der ihm in den
nächsten sieben Jahren aus der Industrialisierung
des Lithiums erwachsen wird, eines Metalls, das auf
der ganzen Welt stark nachgefragt wird und von dem
das Land über 85 Prozent der Weltvorkommen verfügt.
Vor kurzem stellte der Regierungschef den
Mitgliedern seiner Partei, „Movimiento al
Socialismo" MAS (Bewegung zum Sozialismus) und
weiteren Führungskräften des Landes sein neues
Regierungsprogramm vor, um sie von den zwölf
Eckpunkten seiner Regierung im Falle seiner
Wiederwahl in Kenntnis zu setzen. In diesem Programm
sind Themen enthalten, die wesentlich mit der
Wirtschaft und der Gesellschaft verbunden sind, die
stets im Mittelpunkt der Sorge dieses ehemaligen
Gewerkschaftsführers der Kokabauern gestanden haben.
Für die Analysten ist der sogenannte „Faktor Evo"
maßgebend in der Verwirklichung der großen Pläne
eines Landes, das vorher wegen seiner fortgesetzten
Staatsstreiche berüchtigt war. Seine Einfachheit,
seine Ausstrahlung und seine Begabung zur
Kommunikation mit den großen Massen bewirkten, dass
eine regional und ethnisch über Jahrzehnte hinweg
zersplitterte Gesellschaft sich zusammenschloss und
seitdem auf ein gemeinsames Ziel hinarbeitet.
Die Punkte des Regierungsprogramms sind hoch
gesteckt, aber erreichbar, weil Morales über eine
Planwirtschaft und die mehrheitliche Unterstützung
der Bevölkerung verfügt, in der die Nachkommen der
Urvölker überwiegen.
An der Zusammenkunft zur Vorstellung seines neuen
Regierungsplans nahmen außer den Vertretern des MAS
der Vorstand des Gewerkschaftsverbandes COB sowie
Minister, Vizeminister, Gouverneure, Bürgermeister
und Abgeordnete teil.
Es handelt sich um ein Programm, das Aktionen auf
sozialem, ökonomischem, produktivem und politischem
Gebiet festlegt und das daraufhin mit den
wichtigsten gesellschaftlichen Einrichtungen, wie
dem COB und seinen Mitgliedern, erörtert wird, damit
es zu einem großen nationalen Projekt wird.
Zu den wichtigsten Aspekten des zukünftigen
Regierungsplans gehört die Absenkung der extremen
Armut auf 9 %, der Bau von fast 100.000 neuen
Wohnungen, die Entwicklung der Atomenergie zu
friedlichen Zwecken, die Einstellung des Imports von
Benzin, die Einweihung von vier Krankenhäusern mit
hervorragender Technologie und die Schaffung von
1.500 neuen Arbeitsplätzen für Hochschulabsolventen.
In seinen Darlegungen erinnerte der Präsident
daran, dass bei seinem Amtsantritt im Jahre 2005 die
extreme Armut bei 38 % lag und gegenwärtig 18 %
beträgt, und stellte fest, dass es nicht leicht war,
diese soziale Geißel einzudämmen, von der noch immer
Bürger in 100 der 339 bolivianischen Gemeinden
betroffen sind.
Auf die Strom- und Wasserversorgung eingehend,
hob er hervor, dass es im Jahr 2020 eine
100prozentige Versorgung mit Trinkwasser in den
Städten und eine 90prozentige in den Landgebieten
geben wird, während die Kanalisation etwa 80 % der
Stadtgebiete und 60 % der ländlichen Gebiete zugute
kommen wird.
Ziel der Einrichtung des Stromversorgungsnetzes
ist die Beseitigung der Brenner, die gegenwärtig in
einigen Gemeinden als Lichtquelle benutzt werden. Im
Jahre 2025 wird es eine vollkommene Versorgung mit
Elektroenergie geben.
Morales führte aus, dass man „nach diesem großen
Treffen das Regierungsprogramm 2015-2020, wie es das
Gesetz verlangt, dem Obersten Wahlgericht
vorstellen" werde und wies außerdem darauf hin, dass
der Plan mit seinem Vizepräsidenten Álvaro García
Linera und mit den Ministern diskutiert worden ist.
Im sozialen Bereich sieht der Plan desweiteren
den Bau von vier mit Spitzentechnologie versehenen
Krankenhäusern auf den Gebieten der Kardiologie, der
Neurochirurgie und Nefrologie, der Onkologie und
Gastroenterologie sowie von weiteren 40
Krankenhäusern vor, die ebenfalls modern ausgerüstet
sein werden.
Im Bildungswesen wird die Anzahl der Schulstunden
zunehmen und es wird neue Fächer geben, um die
allgemeine Bildung und Kultur anzuheben.
Gleichzeitig werden drei Sportstadien mit einem
Fassungsvermögen von 60.000 Menschen in den Städten
La Paz, Cochabamba und Santa Cruz gebaut, sowie
Hochleistungssportzentren und 25-Meter-
Schwimmbecken in ländlichen Gegenden.
Der Wohnungsbau wird mit 83.000 neuen Häusern
weiter gesteigert. Es sind 43.000 Mehrfamilienhäuser
und 40.300 Einfamilienhäuser vorgesehen. Hinzu kommt
die bauliche Instandsetzung von weiteren 125.000
Wohnungen.
Der Präsident betonte, dass Bolivien in den neun
Jahren seiner Regierung die politische und
ökonomische Emanzipation erreicht habe und dass im
Falle seiner Wiederwahl mit Beginn der neuen
Regierungsperiode die Hauptaufgabe darin bestehe,
die technologische und wissenschaftliche Befreiung
Boliviens zu erlangen. Hierfür werde es die
Einrichtung von Forschungs- und Innovationszentren
geben, deren Investitionen abgesichert seien.
Gegenwärtig genießt das Regierungsduo Morales-García
Linera die Unterstützung von über 60 % der
Bevölkerung, während die Parteien der Opposition
noch immer über keine solide Besetzung verfügen, die
sie bei den für Oktober anberaumten Wahlen
vorstellen könnten. (Cubahora) •
FÜNFJAHRESPROGRAMM DER EVO-MORALES-REGIERUNG
2015-2020
1. Beseitigung der extremen Armut
2. Strom- und Wasserversorgung
3. Verbesserungen im Gesundheitswesen für ein
würdiges Bolivien
4. Revolution für die
Technologisch-Wissenschaftliche Unabhängigkeit
5. Ein produktives, industrialisiertes Land mit
Arbeitsplätzen
6. Förderung einheimischer Nahrungsmittel
7. Wasser zum Leben und Respekt vor der Mutter
Erde
8. Bolivien integrieren
9. Die Gegenwart bewahren, um die Zukunft
abzusichern
10. Gemeinsam für ein sicheres Land
11. Revolution in der Bolivianischen Justiz
12. Alle für eine Neue Weltordnung
BOLIVIEN
- Der Plurinationale Staat Bolivien ist ein im
mittleren Westen Südamerikas gelegenes Land mit
einer Bevölkerung von fast 10,1 Millionen Einwohnern.
Es grenzt im Norden und Osten an Brasilien, im
Südosten an Paraguay, im Süden an Argentinien, im
Westen an Chile und Peru.
- Juan Evo Morales Ayma ist der Präsident des
Plurinationalen Staates Bolivien. Er war einer der
Begründer der Bewegung für den Sozialismus (MAS),
die die Proteste im Oktober 2003 anführten. Ab 1996
leitete er den Koordinierenden Ausschuss der sechs
Gewerkschaftsverbände der Kokabauern des
Tropengebiets von Cochabamba.
- Bei den Wahlen von 2005 erhielt Morales fast
54% der Stimmen und wurde so zum ersten Präsidenten
indigener Abstammung. Er übernahm die Macht am 22.
Januar 2006.