Geier-Fonds stehlen die Zukunft Argentiniens
ZWEI gegen Argentinien
gefällte Urteile des Obersten Gerichtshofs der
Vereinigten Staaten werden raubtierartige Investoren
weiter ermutigen und den Schuldenabbau der ärmsten
Länder behindern, warnten Organisationen, die sich
der Bekämpfung der Armut widmen.
Am Montag, dem 16. Juni,
wies das Oberste Gericht eine Berufung zurück, die
die argentinische Regierung gegen das Urteil eines
untergeordneten Gerichts eingelegt hatte, das von
Buenos Aires die Zahlung von 1,5 Milliarden Dollar
an die Gläubiger zweier Geierfonds forderte, die
abgelehnt hatten, eine Einlösung durch öffentliche
Verschuldung zu akzeptieren.
Argentinien hatte im August,
als das Urteil bekannt wurde, erklärt, dass es
dieses nicht anerkennen würde, später aber seine
Haltung moderiert.
Gleich nach Bekanntwerden
des Urteils erklärte die argentinische Präsidentin
Cristina Fernández, dass die US-amerikanischen
Richter auf diese Weise „eine Form der
Weltherrschaft, basierend auf Spekulationen"
bestätigen, „um die Länder und ihre Bevölkerung in
die Knie zu zwingen".
Dieses Urteil bedeutet einen
dramatischen Rückschlag für Argentinien, das seit
Jahren gegen zwei US-Geier-Fonds kämpft, NML Capital
und Aurelius, um eine wichtige Vereinbarung über die
Umstrukturierung seiner Schulden von 102 Milliarden
Dollar abzuschließen, nachdem im Jahr 2001die
Aussetzung der Zahlungen (Standard) des Landes
erfolgte.
NML Capital, das die Klage
gegen Argentinien in New York führte, kaufte die
argentinischen Anleihen für 48,7 Millionen Dollar
und der Oberste Gerichtshof der USA erkennt ihm
jetzt das Recht zu, 832 Millionen Dollar für diese
Papiere zu kassieren.
„Ein Gewinn von 1.600 % in
wenigen Jahren. Ich glaube, nicht einmal das
organisierte Verbrechen erreicht derartige Rendite
in so kurzer Zeit", betonte Präsidentin Fernández in
Buenos Aires bei einer Fernsehansprache.
Die 1,5 Milliarden Dollar,
die Argentinien für die Geier-Fonds zahlen muss,
sind nur 10 % der Schuldverschreibungen, die nicht
in die Wechsel des Jahres 2001eingingen. Wenn für
den Rest der nicht eingewechselten Schulden vor
Gericht das gleiche Recht eingeklagt würde, stände
Buenos Aires einer Forderung von rund 15 Milliarden
Dollar gegenüber.
Ein zweites, ebenfalls am
Montag, dem 16. Juni, gefälltes Urteil des Obersten
Gerichts der USA fiel gleichfalls zum Vorteil der
Hedge-Fonds aus und wird den Anleihegläubigern
ermöglichen, die internationalen Banken zu zwingen,
ihnen bei der Suche nach argentinischen Vermögen
Unterstützung zu leisten.
Die Urteile werden
raubtierartige Investoren ermutigen und beinhalten
eine große Niederlage für die armen Länder, die
versuchen, ihre Schulden zu reduzieren, warnten NGOs
in Washington.
„Ich bin immer noch
fassungslos über die Nachricht, es ist verheerend",
sagte Eric LeCompte, Exekutivdirektor von Jubilee
USA, einem Netzwerk von religiösen Organisationen
zur weltweiten Bekämpfung der Armut.
„Es wird nicht nur das
Verhalten von Wagniskapitalfonds bestätigt, sondern
sie werden noch ermutigt. Jetzt haben sie neue
Rechtsinstrumente, um Ländern wie die Elfenbeinküste
und Sambia sehr schnell in die Unterwerfung zu
zwingen", sagte er.
Auf dem Spiel steht die
Strategie einer kleinen Anzahl von Investmentfonds
oder Geier-Fonds, vor allem in den USA, die Schulden
von armen Ländern mit wenig Hoffnung auf Rückzahlung
zu einem Bruchteil ihres Nennwerts kaufen.
Diese Unternehmen legen dann
Klagen gegen die Regierungen vor, weil sie ihnen
nicht hundert Prozent des Wertes der erworbenen
Anleihen bezahlt haben, mit der Absicht, einen Teil
der Steuereinnahmen und der Fonds der
internationalen Hilfsgelder zu erhalten, wenn sie
endlich zu fließen beginnen.
Die Fonds dieser Art
behalten ihre Ansprüche auch dann bei, wenn andere
Investoren auf den Schuldenabbau eingehen - was als
Schuldeneinlösung bekannt ist -, und geringere
Rendite akzeptieren als die erwarteten, die den
verschuldeten Regierungen jedoch den Beginn einer
wirtschaftlichen Erholung ermöglichen.
Ein einziger Geier-Fonds
oder Gläubiger, der den Austausch nicht akzeptiert,
kann den gesamten Prozess der Umstrukturierung der
Schulden annullieren nichtig, da die Vereinbarung
rechtlich nicht ohne die Zustimmung aller
Anleihegläubiger voranschreiten kann.
Der paradigmatische Fall
Argentiniens begann im Jahr 2001, als nach Jahren
der Turbulenzen, die die Wirtschaft des Landes in
den Abgrund trieben, 102 Milliarden Dollar an Boni
nicht getilgt wurden. 2005 und 2010 bot Argentinien
den ausländischen Investoren einen Schulden-Swaps
gegen neue Anleihen zu einem Viertel des
ursprünglichen Wertes an.
Etwa 93 % der Gläubiger
Argentiniens akzeptierte schließlich die Einlösung,
aber NML Capital und Aurelius weigerten sich, dies
zu tun, und verklagten in der Folge die
argentinische Regierung vor Gerichten in New York.
„Es ist Zeit für Argentinien,
seine Verpflichtungen gegenüber seinen Gläubigern zu
erfüllen, wovon sowohl die argentinische Wirtschaft
als auch seine internationale Position profitieren
werden", sagte NML in einer Pressemitteilung nach
dem Urteil gegen die Berufung.
EINE ATTRAKTIVE OPTION
Beobachter befürchten, dass
der Entscheidung des Obersten Gerichts der USA nicht
nur die anderen Gläubiger von Argentinien ermutigt,
sondern die Strategie der Gläubiger fördert, keine
Schulden-Swaps zu akzeptieren.
„Dieses Verhalten war
bereits eines des profitabelsten der Welt, und
dieses Urteil macht es jetzt legitim und noch
profitabler, da die Investoren nun weniger für
Rechtsstreitigkeiten aufbringen müssen", sagte Le
Compte.
Einige Analysten vermuten,
dass Aurelius und NML Argentinien nicht so sehr
wegen des Geldes verklagten, um das es in dem Fall
geht, sondern wegen des Modells, zu dessen
Konsolidierung für die Zukunft eine positive
Entscheidung beitragen könnte.
Das juristische Urteil
könnte viele negative Auswirkungen haben. Nun
könnten Geierfonds die Steuereinnahmen von Ländern
in extremer Armut sowie die internationale Hilfe,
die ihnen geboten wird, angreifen.
Die Bemühungen um die
Umstrukturierung der Schulden von multilateralen
Kreditgebern wie dem IWF und dem Pariser Club, die
die Verringerung der Schulden von 90 Ländern in über
573 Milliarden erleichterten, könnten auch
komplizierter werden.
Legitime Investoren
beschließen wahrscheinlich, nicht an dieser Art der
Umstrukturierung teilzunehmen, da ihre Investitionen
jetzt gefährdet sein könnten.
Es sind zahlreiche
internationale Bemühungen im Gange, die
möglicherweise die Aktion der raubtierartigen
Investoren begrenzen oder ein System der
internationalen Schiedsgerichtsbarkeit schaffen
könnten, welches das Problem der Staatsverschuldung
angeht.
Laut einer Analyse von
Jubilee USA und New Rules for Global Finance, einer
NGO in Washington, werde versucht, „die extreme
Raubtierpraxis ... die die Maßnahmen des
Schuldenabbaus, der Umstrukturierung und des
Funktionierens des Finanzsystems verletzt, zu
begrenzen oder zu beseitigen".
Sowohl auf nationaler oder
internationaler Ebene bietet aber eine solche
Maßnahme nur eine einmalige mittelfristige Lösung.
Argentinien hat nun bis zum 30. Juni, um die
Zahlungsforderung an alle Anleihegläubiger,
einschließlich NML und Aurelius, zu erfüllen, obwohl
die Zahlung von rund 15 Milliarden andere Zahlungen
riskieren würde. (Entnommen aus IPS)
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