Ireno García im Theater „Bellas Artes"
Ulrich
Fausten
Der Trovador feierte mit dem
Konzert am 27. September seinen 60. Geburtstag und
man muss feststellen, dass er keinen Tag jünger
aussieht, eher älter. Die Haare, die er früher stets
lang trug, sind zu einem Bürstenschnitt geschrumpft
und er benutzt jetzt einen Gehstock. Dass er mager
bis zur Ausgezehrtheit wirkt, sollte man nicht
überbewerten. So sah er immer schon aus. Als er vor
17 Jahren anlässlich des Festivals der Jugend und
Studenten auf der Freitreppe zur Universität
gemeinsam mit Gerardo Alfonso und Santiago Feliú
Gerardos berühmtes Che-Lied „Son los sueños todavia"
sang, hatte er bereits etwas Geisterhaftes an sich.
Wer von seiner leisen,
geradezu verhuschten Sprechstimme auf seine
Singstimme schließt, irrt gewaltig. Zerbrechlich ist
sein Organ nur dann, wenn Nuancen eines Liedes dies
erfordern. Ansonsten ist sein Gesang – das Publikum
nimmt es fast erleichtert zur Kenntnis – kräftig und
klar wie eh.
Die (durchweg jungen)
Musiker, mit denen er sich umgibt, sind von erster
Güte. Der Gitarrist Pedro Enrique Peña und die
Lautenistin Amanda García Fabián scheinen einen
einzigen Klangkörper zu bilden, so symbiotisch sind
sie aufeinander eingespielt.
Die Percussionistin Marbys
Manzanet übernimmt punktuell die zweite Stimme. Ihre
Rolle als sporadische Back Up Vokalistin ist
allerdings Tiefstapelei pur. Für das Lied „Fábula de
Mayo" holt Ireno sie aus dem hinteren Bereich der
Bühne nach vorn, wo sie mit ihm im Duett singt. Es
wird die hinreißendste Darbietung des ganzen Abends.
Sein bekanntes „Sueño no más" schenkt er her, indem
er es Marbys als Solo überläßt. Ein leises Bedauern
befällt einen, wenn man sich vorstellt, wie das
zweistimmig geklungen hätte.
Die Abwesende des Abends ist
die 2012 verstorbene Sara González und es fällt
Ireno García merklich schwer, das ihr gewidmete
„Nadie sabe de mi corazón" anzukündigen. Aber
eigentlich ist er „gut drauf", erzählt Anekdoten und
macht trockene Späße zwischen den Stücken. Das tut
er nicht immer.
Eingeladene sind die
Liedermacherin Martha Campos und der
Gitarrenvirtuose Alejandro Valdés, die beide dafür
bekannt sind, positive Vibrationen zu verbreiten.
Alejandros Spiel ist für seine Verhältnisse sehr
zurückhaltend. Er will an diesem Abend nicht im
Mittelpunkt stehen.
Das Konzert endet –
natürlich! – mit „Andar la Habana" und danach gibt
es so lange stehende Ovationen, bis noch eine Zugabe
kommt.
Beim Verlassen des Theaters
sehen die Leute sich der stimmungsvollen Kulisse
zahlreicher offener Feuerstellen gegenüber, auf
denen in den Barrios die „caldosa", die
traditionelle Suppe zum Jahrestag der CDR,
zubereitet wird. Alles in allem ein betörend schöner
Abend.
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