Ein standhafter
solidarischer Mann
• Der ehemalige
Generalstaatsanwalt der USA, Ramsey Clark, gab
während seines Aufenthaltes im Rahmen seiner
Teilnahme am 9. Kolloquium für die Befreiung der
Fünf und gegen den Terrorismus ein Exklusivinterview
Daylén Vega
und
Yosbel Bullaín
Er kam im Monat November nach Kuba im Rahmen des
9. Kolloquiums für die Befreiung der Fünf und gegen
den Terrorismus. Wir lernten ihn eines Nachmittags
kennen, als er inmitten seines angefüllten
Arbeitsplanes Zeit fand, um uns zu empfangen. Stolz
trug er den Orden der Solidarität, der von Müttern
der Fünf an seine Brust geheftet worden war und
lächelte mit der Weisheit dessen, der lange gelebt
hat. Nach dem Händedruck und der herzlichen
Begrüßung führte der ehemalige Generalstaatsanwalt
der USA, Ramsey Clark, mit uns ein offenes Gespräch.
- Wie lernte Ramsey Clark Kuba kennen?
- Zum ersten Mal wurde ich als kleiner Junge nach
Kuba gebracht. Ich war fünf Jahre alt und mein
älterer Bruder, der sieben Jahre alt war, war kurz
vorher an Meningitis gestorben. Ein Jahr danach
kamen wir auf Urlaub nach Kuba, um den Schock
abzuwerfen. Später war es dann zufälligerweise
gerade Kuba, das den besten Impfstoff herstellt, um
diese Krankheit zu heilen.
Später kam ich wieder her, als ich meinen Dienst
bei der Marine beendet hatte, wo ich im Dezember
1941 in die Ereignisse von Pearl Harbor verwickelt
war. Als ich die Marine verließ, war es schon zu
spät, um noch die Universität zu beginnen, so dass
ich anfing, Arbeiten für die Armee zu verrichten,
und so kam ich etwa vier Mal nach Kuba.
In jenen Zeiten sah ich, dass die Korruption und
die Prostitution sehr ernste Probleme waren. Die
Straßenbahnen waren Eigentum einer einzigen Person,
des Herrn Cambell aus Miami, und wir sahen diese und
andere Äußerungen der Einflussnahme der Vereinigten
Staaten, der Gangster und Dinge dieser Art.
- Als 1961, während der Kennedy-Regierung, der
Angriff auf Playa Girón erfolgte, waren Sie
Generalstaatsanwalt der USA. Auf welche Weise wurden
Sie von diesen Geschehnissen beeinflusst?
- Als die Ereignisse von Playa Girón geschahen,
schrieb ich einen Brief an den Präsidenten: „Der
größte Vorteil, den Sie bezüglich der Dinge haben,
ist, bestimmte Fakten nicht zu kennen", und ich
glaube, dass Kennedy nichts wusste von diesen
Plänen. Er merkte nicht, dass diese Dinge sich
bereits seit geraumer Zeit zusammenbrauten, und er
belegte das Büro im Januar 1961.
Der damalige Chef der CIA stand der Familie von
Kennedy sehr nahe, und die Konsequenzen dessen, dem
Präsidenten diesen Brief geschrieben zu haben,
ließen nicht auf sich warten. Zwei Tage danach
verabschiedete mich mein Chef und schickte mich in
die Steuerabteilung, natürlich war das das Werk der
CIA und man legte so etwas wie eine Akte von mir an.
Zwei Wochen lang durchsuchten sie alle meine
Schubladen, meine gesamte Arbeit, aber sie fanden
nichts, keinerlei Beziehung. Dies war mir eine
Lehre.
Als ich am 20. Januar 1969 die Regierung verließ,
hörte ich auf, Generalstaatsanwalt zu sein, und ich
hatte genug Zeit, um Überlegungen anzustellen, um
über die Welt und meine eigene Haltung nachzudenken.
Ich fühlte mich verantwortlich für das Verhalten
meiner Regierung gegenüber Kuba und begann, hier her
zu kommen.
- Was halten Sie als Kenner der Gesetze der USA
von der Gerichtsverhandlung gegen die Fünf in Miami?
- Da ich Miami kenne, wusste ich, dass es sehr
schwer sein würde, dort eine gerechte Verhandlung zu
erzielen, wo die öffentliche Meinung von der
ständigen Bombardierung mit Information gegen Kuba
vergiftet war.
Wir hatten nicht die geringste Ahnung davon, dass
in den USA die Regierung Journalisten dafür
bezahlte, gehässige und falsche Geschichten über
Kuba zu schreiben. Was darin stand, war ziemlich
unglaubwürdig.
Von Beginn an sah ich, dass das, worin sich die
Fünf verwickelt hatten, ein persönliches Risiko in
sich barg, aber für ihr Land sehr wichtig war. Worum
es wirklich ging war, wie bewerkstelligt werden
konnte, dass Kuba Kenntnis davon erhielt, was in den
Vereinigten Staaten hinsichtlich der Aktionen
geschah, die bewaffnete Organisationen vorgenommen
hatten und die weiterhin Operationen gegen ein
unabhängiges Land planten, das Mitglied der
Vereinten Nationen ist. Es war also eine sehr
ernste, wichtige Angelegenheit.
Das, was gegen die Fünf geschieht, ist eine
riesige Ausgeburt der Justiz. Es hat das kubanische
Volk tief verletzt und unseren Beziehungen zu ihm
geschadet und hat Menschen aus aller Welt
hineingezogen. Jetzt ist es für mich vollkommen
klar, dass, was sie verfolgten, darin bestand, diese
Art von Gewalt zu verhindern, die innerhalb des
Territoriums der USA gegen Kuba organisiert wurde.
Diejenigen, die ihre Freiheit riskieren, um
andere Leben zu retten, sind Helden.
- In den letzten Jahren haben die Vereinigten
Staaten arabische Länder überfallen. Welche Meinung
haben Sie zu den Angriffen, die die US-Armee ausübt
und zu dem Stellenwert, den sie dem Wettrüsten
einräumen?
- Es ist ein Land nach dem anderen, kürzlich
wurde Libyen fast zerstört, ein Land, das allen
anderen afrikanischen Ländern humanitäre Hilfe
angeboten hatte; aber es wurde angegriffen, weil es
auf gewisse Weise unabhängig von den Vereinigten
Staaten war und Erdöl hatte. Solche Dinge gehen vor.
Jetzt bedrohen wir Syrien.
Die Tragödie von Irak ist erstmalig in der
Geschichte der Menschheit. In zwei Wochen wurden
seine Hauptstadt und seine Städte bombardiert und
zerstört, es gab über zehntausend Luftangriffe und
aller zehn Sekunden wurden Bomben entladen. Die
ganze Zeit über starben Menschen, man konnte nicht
auf die Straße gehen. Nun sind wir schon im Jahr
2013 und noch immer wird täglich von Toten
berichtet.
Ich erkenne immer deutlicher, dass die
Interventionen der Vereinigten Staaten gewalttätig
sind und kann nicht absehen, wann all dies beendet
werden wird.
Sie haben gegenwärtig eine große atomare Macht,
die große Städte zerstören kann. Sie haben vierzig
Mal mehr Sprengkraft als die Bombe, die Hiroshima
zerstörte. Wenn Sie eine Weltkarte nehmen, könnte
man die Städte nicht zählen, die mit diesem atomaren
Potenzial zerstört werden können.
Ich denke, dass es alarmierend ist, dass die
Armee weiterhin auf diese Weise wächst; es ist, als
gäbe es die große Notwendigkeit, alle Welt zu
militarisieren, um das Leben auf diesem schönen
Planeten zu zerschmettern. So denken die Vereinigten
Staaten.
- Kürzlich haben wir gesehen, dass die
Vereinigten Staaten in Skandale des Missbrauchs von
Gefangenen seitens der Offiziere verwickelt war. Wie
denken Sie über das, was auf dem illegalen
Militärstützpunkt von Guantánamo geschieht?
- Man brachte Menschen aus aller Welt hierher in
das schöne Kuba, in diesen Hafen, den wir mit Gewalt
und gegen das Gesetz besetzt haben, und sie wurden
über Jahre hinweg gefoltert. Dies ist etwas
Schändliches, Unannehmbares, und, um wie
zivilisierte Menschen zu sprechen, die Vereinigten
Staaten hätten niemals kubanisches Territorium
besetzen, niemals den Militärstützpunkt einrichten
dürfen. Was sie tun sollten ist, es sofort an Kuba
zurück zu geben.
- Bei mehreren Anlässen haben Sie Ihre
Anerkennung gegenüber dem kubanischen
Gesundheitssystem ausgesprochen. Wie bewerten Sie
die Entwicklung dieses Bereichs und die
Zusammenarbeit unserer Ärzte in anderen Ländern?
- Ich denke, dass die Gesundheitsprogramme, die
während der kubanischen Revolution entstanden sind,
dem Gesundheitswesen außerordentliche Erfahrungen
geliefert haben. Immer, wenn ich ein Land besuche,
denke ich an die Kindersterblichkeit. Die
Kindersterblichkeit von hier vor 1959 war sehr hoch
und sank binnen weniger Jahre. Heute hat Kuba
Kennziffern, die unter denen der Vereinigten Staaten
liegen, dank der Vision, die es in der Umsetzung der
Gesundheitsprogramme hatte. Ohne Gesundheit hat das
Leben keinen Sinn. Kuba hat diese Probleme über
lange Zeit hinweg auf eine Weise konfrontiert, auf
die es kein anderes Land getan hat.
Oberflächlich betrachtet könnte man denken, dass
das kubanische Gesundheitswesen rudimentär ist, weil
es nicht über die entwickeltste Technologie verfügt,
aber wenn man die Behandlung sieht, die die Ärzte
den Menschen zuteil werden lassen, und das auch in
den entlegensten Gebieten, bemerken wir, dass es
tatsächlich ein ganz besonderes ist.
Kuba ist auf einzigartige Weise freizügig und hat
viel für den Weltfrieden getan. Die Hilfe für Länder,
die sich in schrecklichen Situationen befinden, die
Legionen von Ärzten, die Völkern aus allen Teilen
der Welt Hilfe bieten, sind ein Beweis dafür.
Die Welt muss sich all das ins Bewusstsein
bringen, was Kuba tut.
- Der Orden der Solidarität ist eine der
wichtigsten Auszeichnungen, die die kubanische
Regierung verleiht. Was hat es für Ramsey Clark
bedeutet, diese Anerkennung erhalten zu haben?
- Es ist eine große Ehre für mich, diese
Auszeichnung erhalten zu haben. Vielleicht gibt es
Menschen, die sie viel mehr verdienen als ich. Was
ich will - mehr als dass meine Solidarität erwähnt
wird -, ist, an das Volk zu denken, an die Menschen;
daran, was für gute Nachbarn Ihr seid. Wir sollten
eine wahre Politik der guten Nachbarschaft führen.
Ich glaube, Euch als gute Freunde nicht zu kennen,
hat auch uns geschadet, denn wir haben es versäumt,
mit Euch zu sein, die Ihr so großmütig seid.
Ich hoffe, ein standhafter solidarischer Mann zu
sein, und ich hoffe, dass sich unsere Völker so
lieben werden, wie sie sollten, trotz unserer langen
Geschichte. Seit dem Krieg zwischen Spanien und den
Vereinigten Staaten, seit jener Zeit, ist man in den
Vereinigten Staaten aktiv aggressiv zu Kuba gewesen,
das ist sehr schändlich, ist das verwerflichste
Verhalten eines Landes, unannehmbar für diese Zeiten.
Auf der Welt gibt es keine Gründe, die dies
rechtfertigen würden, noch Worte, um es zu
beschreiben. Wir sind so nah und Kuba und seine
Menschen sind so schön ... Wenn wir dieses Problem
nicht lösen können, können wir die Probleme des
Lebens auf der Erde sicher nicht bewältigen.