SILVIO RODRIGUEZ UND
DIE TOURNEE DURCH DIE WOHNVIERTEL
Wunder der kommunikation
Laufe los und gehe, wohin du gehen musst,
laufe los, denn die Zukunft erwartet dich.
Fliege, denn die Schwäne sind lebendig,
mein Gesang ist mit dir, ich kenne keine Einsamkeit.
—(Silvio Rodríguez- Requiem)
Mireya Castañeda
DER bereits
legendäre kubanische Musiker Silvio Rodríguez begann
vor vier Jahren eine musikalische Reise, die er
Tournee durch die Wohnviertel nannte. Mit ihr wollte
der bekannte Sänger „in diesen schwierigen Zeiten
die Musik aus den Theatern holen und sie in die
nächste Umgebung der Menschen bringen“.
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Silvio auf der Plaza de San Francisco
Als Kulisse
nur eine riesige kubanische Flagge benutzend, ist es
bisher in 56 Gemeinden aufgetreten, die meisten in
Randgebieten von Havanna, wie Cayo Hueso, San
Agustín, El Fanguito und La Hata, nachdem er diese
Konzertreihe im September 2010 in La Corbata, im
Stadtbezirk Playa, begann.
Außer in
Havanna fanden Konzerte in Gemeinden der Provinzen
Villa Clara, Cienfuegos und Matanzas statt, und
Anfang Juni in Mayari, Nicaro und Moa, in der
östlichen Provinz Holguín.
Ihren
jetzigen Namen, „Die unendliche Tour“, erhielt die
Tournee später. „Silvio denkt, dass sie diesen Titel
verdient. Es ist der Name der Ausstellung von Fotos
von Silvio, aufgenommen in den Gemeinden, und
Bildern zu diesen Fotos von Antonio Guerrero, einem
der drei antiterroristischen Kämpfer, die immer noch
zu Unrecht in US-Gefängnissen inhaftiert sind. Tony
hatte diese,Ausstellung so benannt, die vor zwei
Jahren im Zentrum „Pablo de la Torriente Brau“
eröffnet wurde, erklärte der Direktor dieser
Institution, der Dichter Víctor Casaus.
Bei dieser
Gelegenheit stellte er auch das Buch Enigmas y otras
conversaciones (Rätsel und andere Gespräche), von
Tony Guerrero selbst, vor. Der Dichter Roberto
Fernández Retamar sagt im Vorwort: „Tony hat aus
seiner Zelle eine echte Werkstatt gemacht, in der
neue Gedichte, Briefe, Kommentare, Geschichten, ein
Tagebuch, plastische Arbeiten entstehen. Er bleibt
aktiv, lebhaft. Wie sie seinen Mut nicht ersticken
konnten, waren sie auch nicht in der Lage, die
Lebensfreude zu ersticken, die in seinen konstanten
Kreationen durchscheinen.“
Während
dieser Veranstaltung im Majadahonda-Saal des
Pablo-Zentrums verlas Casaus eine Botschaft von
Antonio Guerrero, die das Zustandekommen der
Ausstellung erklärt: „Vor über anderthalb Jahren las
ich Nachrichten aus Kuba, speziell über eines der
Konzerte, und ich sah einige Fotos, die, wie die
Bildunterschriften besagten, von Silvio aufgenommen
worden waren. Sie waren in schwarz-weiß, weil die
Materialien, die ich lese, Fotokopien von Artikeln
sind, aber selbst so beeindruckten mich diese Bilder
und alles, was sie beinhalten, unwahrscheinlich. Ich
schrieb an Silvio und bat ihn, mir einige seiner
Fotos zu schicken, um zu sehen, ob ich auf ihrer
Grundlage einige Arbeiten schaffen könnte. Zum
ersten Mal machte ich mich an ein Werk dieser Art.
Ich nahm sechs der Fotos und vereinte die
Abbildungen der Menschen verschiedener Stadtteile in
einem Werk. Es war der Anfang, mit dem genialen Bild
in der Mitte, das zwei junge Menschen mit einem sehr
improvisierten und originellen Schild zeigt: ¡Viva
Silvio!“
Silvio
Rodríguez´ Reise durch die Gemeinden ist eine Tour
menschlicher Kontakte. Das ist das Besondere. Es ist
ein Wunderwerk der Kommunikation.
Víctor
Casaus hob auch „die Dankbarkeit der Menschen einem
Künstler der Größe von Silvio gegenüber“ hervor und
erinnerte daran, dass „eine ältere Frau, vor deren
Haustür er eine Bühne aufgebaut hatte, nach dem
Konzert zu ihm sagte: ´Es freut mich, diese Hand
schütteln zu können, die die Songs geschrieben hat,
die mich mein Leben lang bewegt haben“.
Von den
schönen Dingen der Teilnahme der Menschen sprach
auch die Journalistin Mónica Rivero, als sie
erzählte, was im Februar bei dem Konzert in Punta
Brava passierte. Ein Mann rief Silvio sehr laut zu:
La era (Die Ära) … Silvio sang unbeirrt weiter, was
er auf dem Programm hatte. La era ..., wiederholte
der Mann, während andere um Unicornio (Einhorn),
Ojalá (Hoffnung), El necio baten. La era ... „Als
die Stimme zum dritten oder vierten Mal die
Aufmerksamkeit auf sich zog, suchte Silvio den Mann
mit dem Blick: ´Ich will dein Gesicht sehen; komm
her, sing mit mir´ … Auf die Bühne kam ein Mulatten
älteren Jahrgangs, aber anstatt zu singen, richtete
er ein paar Worte an das Publikum: ´Als dieser Mann
im Gefängnis ein Konzert gab, war ich dort´, sagte
er und wies auf den Künstler. ´Am nächsten Tag wurde
ich entlassen.´ Daraufhin verließ er die Bühne.“
Die Wirkung
war groß. Der Bezug war klar. Im Jahr 2008 hatte
Silvio eine Konzertreise durch die Gefängnisse
gemacht, die er Expedición nannte, was der Titel
seiner CD von 2002 ist.
In diesem
Jahr bildete ein Konzert auf der Plaza de San
Francisco de Asis, in der Altstadt von Havanna, den
Auftakt der Tour. Silvio begleiteten, wie fast
immer, Niurka González, Oliver Valdés, Trovarroco,
Emilio Vega, Jorge Reyes und Jorge Aragon.
Gastsängerin war Ivette Cepeda.
Es war
wahrscheinlich das Konzert mit dem meisten Publikum
auf dieser langen Route. Eusebio Leal, der
Stadthistoriker von Havanna, sagte, es handele sich
„wahrlich um ein Werk, das die Poesie überschwellen
lässt“.
Das jüngste
Konzert, das 56., bot er in Mayarí dar, dieses Mal
in Begleitung des Trios Trovarroco, der Flötistin
und Klarinettistin Niurka González und des
Percussionisten Oliver Valdés und als Luxus-Gast
Frank Fernández, der in diesem Ort geboren wurde und
seinen 70. Geburtstag feierte.
Der
ausgezeichnete Pianist Fernández eröffnete den Abend
mit Schuberts Ave Maria, spielte Zapateo por derecho
als Solo und begeisterte in Begleitung der virtuosen
Flötistin Niurka González mit der Sonate von
Mozart, Siciliana von Bach und Quiéreme mucho des
Kubaners Gonzalo Roig.
In einem
außergewöhnlichen Duett boten der berühmte Pianist
und Silvio Rabo de nube und Réquiem dar.
Tony
Guerrero fragt im Enigma III seines Buchs Enigmas y
otras conversaciones: Im Boden des Sees / wird ein
Sänger sein?
Die
Imagination bleibt jedem überlassen. Wahr ist, dass
Silvio immer Gesang und Gitarre sein wird. Er wird
weiter Gota de Rocío (Tautropfen), Reparador de
Sueños (Mechaniker von Träumen), Óleo de una mujer
con sombrero (Ölgemälde einer Frau mit Hut) und
Ojalá (Hoffnung) schenken.
Er ist auf
seiner endlosen Tour durch die Wohnviertel. Es wird
gehen, wohin er gehen muss, und wird niemals
Einsamkeit verspüren.
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