Kuba und die
Vereinigten Staaten, der Beginn eines neuen Kapitels
• Das Treffen
um die Wiederherstellung der Beziehungen einzuleiten
und andere Themen bilateralen Interesses zu
besprechen, wurde von beiden Seiten als nutzbringend
und produktiv bewertet, aber es zeigte sich, dass
noch viel zu tun bleibt
Claudia Fonseca Sosa und
Sergio Alejandro Gómez
Nach mehr als einem halben
Jahrhundert der Stagnation fand am Donnerstag in
Havanna das Treffen auf höchster Ebene seit
Jahrzehnten zwischen Kuba und den Vereinigten
Staaten zur Ebnung des Weges für die Wiederaufnahme
der diplomatischen Beziehungen und der Eröffnung von
Botschaften sowie zu anderen Themen bilateralen
Interesses statt.

Gesprächsrunde, die am Donnerstagvormittag die
Schritte für die Wiederaufnahme der diplomatischen
Beziehungen zwischen Kuba und den Vereinigten
Staaten zum Thema hatte (Foto: Juvenal Balán)
Die US-Delegation, die an diesem
Dialog im Palacio de Convenciones in der Hauptstadt
teilnahm, wurde von der stellvertretenden
Außenministerin für Angelegenheiten der westlichen
Hemisphäre, Roberta Jacobson, angeführt, der
höchsten Beamtin, die Kuba seit Ende der 70er Jahre
des vorigen Jahrhunderts besucht hat. Die kubanische
Seite wurde von der für die Vereinigten Staaten
zuständigen Generaldirektorin im kubanischen
Außenministerium, Josefina Vidal Ferreiro,
vertreten.
Beide Teile stimmten darin überein,
dass die Gespräche in einer entspannten Atmosphäre
verlaufen seien. Vidal bezeichnete das Treffen als
„nutzbringend“ und fügte hinzu, dass das Klima
professionell und konstruktiv gewesen sei. Jacobson
ihrerseits sagte, es sei „produktiv und positiv“
gewesen.
Die
Delegation der USA wurde von der stellvertretenden
Außenministerin für Angelegenheiten der westlichen
Hemisphäre, Roberta Jacobson, geleitet
„Wir haben effektiv und konkret über
die Schritte gesprochen, die notwendig sind, um die
Beziehungen wiederaufzunehmen und Botschaften in
unseren Ländern zu eröffnen, sowie über die
Erwartungen im Hinblick darauf, wie die Botschaft
der Vereinigten Staaten in Havanna arbeiten wird“,
sagte Jacobson.
Die US-Vertreterin fügte hinzu, dass
die Botschaften zu einem passenden Zeitpunkt
eröffnet werden sollten, dass sie aber noch kein
konkretes Datum nennen könne, auch wenn „mit
Hochdruck daran gearbeitet“ werde.
Die kubanische Seite betonte, dass
die zukünftigen Bindungen und die diplomatischen
Missionen auf den Prinzipien des Völkerrechts
beruhen müssten, die in der Charta der Vereinten
Nationen und der Wiener Konvention über
Diplomatische und Konsularische Beziehungen
festgelegt seien.
Jacobson bestätigte, beide Seiten
hätten klargestellt, dass diese Normen als
Leitlinien für die Wiederherstellung der Beziehungen
gelten müssten, wie dies auch zwischen anderen
Staaten üblich sei.
Vidal erklärte, dass es eine Reihe
von praktischen Schritten gebe, die von beiden
Seiten getan werden müssten, um diesen Prozess
anzugehen.
Die Vereinbarung, die beinhaltet,
dass die Interessenvertretung unter dem Schutz einer
ausländischen Regierung steht, muss aufgekündigt
werden; die Regierung der Schweiz, die die
Vereinigten Staaten vertreten hat und dies auch
heute noch in unseren Büros in Washington tut, muss
informiert werden, um nur ein Beispiel zu nennen.
Die
kubanische Seite wurde von der für die Vereinigten
Staaten zuständigen Generaldirektorin im kubanischen
Außenministerium, Josefina Vidal Ferreiro, vertreten
Josefina fügte hinzu, dass man bei
dem Gedankenaustausch zum Ausdruck gebracht habe,
dass es schwer zu verstehen sei, wenn diplomatische
Beziehungen zwischen Kuba und den Vereinigten
Staaten aufgenommen werden sollen, Kuba aber
weiterhin auf der Liste der Staaten stehe, die den
internationalen Terrorismus fördern. Die kubanische
Diplomatin führte weiter aus, dass es für eine
Eröffnung von Botschaften notwendig sei, die
Banksituation der Interessenvertretung Kubas in
Washington zu klären, die seit fast einem Jahr ohne
Bankdienstleistungen arbeiten müsse.
Vidal zeigte sich überzeugt, dass
Kuba und die Vereinigten Staaten imstande seien, auf
zivilisierte Weise bilaterale Beziehungen
aufzunehmen.
Die beiden Vertrerinnen führten aus,
dass weitere Treffen erforderlich seien, um die
formalen Aspekte des Prozesses genauer zu klären,
aber sie nannten kein festes Datum für eine neue
Zusammenkunft.
Die Normalisierung,
ein langer und umfassender Prozess
Auch wenn beide Länder, die seit
1961 keine formalen Bindungen mehr zueinander
hatten, sich auf den Weg machten, dieses zu ändern,
so bedeute das nicht, dass eine vollständige
Normalisierung vor der Tür stehe.
Die Normalisierung sei ein
umfassender Prozess, der weit über die Aufnahme
diplomatischer Beziehungen und die Eröffnung von
Botschaften hinausgehe, sagte Jacobson.
„Auf dem Weg zur Normalisierung wird
man weiter komplexere Themen diskutieren, die die
tiefgehenden Differenzen widerspiegeln, die zwischen
beiden Ländern bestehen“, fügte sie hinzu.
„Dies wird ein langer und komplexer
Prozess werden, an dem beide Seiten werden arbeiten
müssen und in dem die in der Agenda anhängigen
Themen behandelt werden müssen“, sagte die Leiterin
der kubanischen Delegation.
Sie versicherte, dass für Kuba die
Aufhebung der Blockade wesentlich sei, wenn man die
Beziehungen normalisieren wolle.
Trotzdem wiederholte Vidal die
Bereitschaft der kubanischen Regierung, mit der
Regierung der Vereinigten Staaten einen
respektvollen Dialog aufrechtzuerhalten, der auf
souveräner Gleichheit und Gegenseitigkeit basieren
müsse, „ohne dass die nationale Unabhängigkeit und
die Selbstbestimmung unseres Volkes beeinträchtigt
wird“.
Für Kuba bedeute dies die
Respektierung des politischen, ökonomischen und
sozialen Systems beider Länder und die Vermeidung
jeglicher Einmischung in innere Angelegenheiten,
sagte Vidal.
Keiner solle glauben, dass Kuba um
einer Verbesserung seiner Beziehungen willen seine
Prinzipien aufgeben würde, betonte sie.
Vidal würdigte die Bereitschaft des
Präsidenten der Vereinigten Staaten, eine ernsthafte
und ehrliche Debatte mit dem Kongress zu führen, um
ein Ende dieser seit mehr als einem halben
Jahrhundert Kuba auferlegten Politik zu erreichen.
Jacobson ihrerseits sprach über die
Herausforderungen, die eine Umsetzung dieser von den
Präsidenten Barack Obama und Raúl Castro
angekündigten Entscheidung mit sich bringe, den
Zustand einer Beziehung zu überwinden, der seit mehr
als einem halben Jahrhundert nicht auf Vertrauen
gegründet gewesen sei.
Sie sagte, dass die neuen in der
vergangenen Woche vom US-Finanzministerium
angekündigten Regelungen bewiesen, wie weitgehend
und tief die Vereinigten Staaten die Verpflichtung
des Präsidenten, eine neue Richtung in der
Kubapolitik der Vereinigten Staaten einzuschlagen,
in die Tat umgesetzt hätten.
Vidal ihrerseits bestätigte, dass
Kuba sich der Verbesserung des bilateralen Klimas
verpflichtet fühle und den Willen habe, auf dem Weg
der Normalisierung der bilateralen Beziehungen
voranzuschreiten.
Sie fügte hinzu, dass Kuba und die
Vereinigten Staaten als enge Nachbarn Bereiche
gemeinsamen Interesses finden müssten, in denen sie
die Kooperation zum Wohle beider Länder, der Region
und der Welt entwickeln könnten.
In einer Antwort auf eine Frage zum
Thema Menschenrechte machte sie deutlich, dass
dieses Thema in der morgendlichen Sitzung nicht
behandelt worden sei und sagte weiter, dass man in
der Arbeitssitzung am Nachmittag andere bilaterale
Aspekte und Aspekte der Zusammenarbeit zwischen
beiden Ländern behandeln werde.
Die beiden Länder hätten
tiefgreifende Differenzen und unterschiedliche
Auffassungen zu diversen Themen, aber sie könnten
auf eine zivilisierte und friedliche Art
zusammenleben, indem sie die Unterschiede zur
Kenntnis nähmen und respektierten, erklärte sie.
Neue Möglichkeiten der
Zusammenarbeit
Während des Treffens am
Donnerstagnachmittag wurden Themen gemeinsamen
Interesses und der Zusammenarbeit besprochen.
Kuba bekräftigte den Vorschlag, den
es schon vor einem Jahr der Regierung der
Vereinigten Staaten gemacht hatte: einen
respektvollen und auf der Basis von Gegenseitigkeit
beruhenden Dialog zu führen, um die Position beider
Länder in Bezug auf Menschrechte und Demokratie
anzusprechen, ausgehend von der Besorgnis Kubas über
die Ausübung der Menschenrechte in den Vereinigten
Staaten. Gleichzeitig sei Kuba der Auffassung, dass
es interessante Erfahrungen vorzuweisen und
mitzuteilen habe, was die Wahrnehmung der
Menschenrechte nicht nur in Kuba angehe, sondern
auch, was den bescheidenen Beitrag, den Kuba zur
Verbesserung der Menschenrechte in anderen Teilen
der Welt betreffe und bei den Lebensbedingungen
vieler Völker der Erde geleistet habe, sagte
Josefina Vidal.
Sie erklärte außerdem vor der
Presse, dass die Delegationen über den Zustand der
Zusammenarbeit auf verschiedenen Gebieten wie der
Sicherheit der Luftfahrt und der schnellen Reaktion
bei auslaufendem Erdöl gesprochen hätten.
Es seien auch Bereiche ermittelt
worden, die Potential für die Errichtung oder
Erweiterung bilateraler Kooperation hätten, wie die
Bekämpfung des Drogenhandels, des Terrorismus und
der Epidemien, sagte sie.
Zu letzterem habe die kubanische
Seite ein Treffen vorgeschlagen, um die Modalitäten
der Zusammenarbeit bei der wirksamen Bekämpfung des
Ebola Virus zu klären.
Die kubanische Delegation erneuere
die Bereitschaft ihrer Behörden, einen Austausch mit
ihrem Gegenüber aus den Vereinigten Staaten über
seismische Überwachung, Meeresschutz und
Hydrographie sowie eine Teilnahme an gemeinsamen
Forschungen über Meerestiere zu entwickeln.
Außerdem
schlug sie vor, wissenschaftliche Zusammenarbeit in
einer Reihe von Bereichen wie Umweltschutz,
Eindämmung der Folgen des Klimawandels und
Prävention von Naturkatastrophen aufzunehmen.
Sie
übermittelte die Bereitschaft, die Abgrenzung der
Eastern Dona im Golf von Mexiko zu diskutieren, und
interessierte sich für die nächsten Schritte für die
Durchführung eines Pilotplans, um den Postdienst
zwischen den beiden Ländern einzurichten.
In Bezug auf
die Telekommunikation versicherte Vidal, dass
festgestellt wurde, dass Kuba bereit sei,
Telekommunikationsunternehmen der USA zu empfangen,
um für beide Seiten vorteilhafte
Geschäftsmöglichkeiten in diesem Bereich zu
erkunden.
Durch eine
schriftliche Erklärung an die Presse wiederum
brachte die stellvertretende Außenministerin für
Angelegenheiten der westlichen Hemisphäre die
Bereitschaft ihres Landes zum Ausdruck, den
bilateralen Dialog über wichtige Fragen,
einschließlich solcher, bei denen weiterhin
erhebliche Meinungsunterschiede bestehen,
fortzusetzen.
Der Text
bestätigt auch, dass die Sitzung sich durch die
Führung eines konstruktiven und ermutigenden Dialogs
kennzeichnete.
In diesem
Sinne bezog sich eine der Fragen, die die Leiterin
der kubanischen Delegation beantwortete, auf die
Auswirkungen der von der US-Regierung angekündigten
Maßnahmen und Regelungen.
Vidal sagte,
die US-Delegation habe einen Überblick geboten über
die bekannt gewordenen Maßnahmen und die am 16.
Januar veröffentlichten Regelungen, die erklären,
wie die Bestimmungen anzuwenden sind.
„Die
Maßnahmen laufen in eine positive Richtung, da sie
einige Aspekte der Blockade gegen Kuba verändern“,
sagte sie.
„Kuba
erwartet, dass der US-Präsident in Ausübung seiner
Exekutivbefugnisse zusätzliche Aspekte der Blockade
deutlich verändert, so dass diese Politik, auch wenn
sie beibehalten wird, wesentlich an Inhalt verlieren
kann.“
Sie fügte
hinzu, dass diese Regelungen, die kompliziert seien,
weiterhin studiert würden und dass die Beratung
durch Anwälte erforderlich sei, um ein Verständnis
für ihr Ausmaß und ihre Reichweite zu erhalten.
Auf eine
Frage der US-Agentur AP eingehend bezog sich
Josefina Vidal auf einen bestimmten Abschnitt der
von der US-Delegation herausgegebenen Erklärung, der
besagt: „Als ein zentrales Element unserer Politik
übten wir Druck auf die kubanische Regierung aus,
damit sie die Bedingungen der Menschenrechte
verbessere, einschließlich der Meinungs- und
Versammlungsfreiheit.“
„Ich
versichere Ihnen, dass das Wort Druck bei dem
Treffen nicht verwendet wurde. Es ist kein Wort, das
bei Gesprächen dieser Art benutzt wird“, sagte
Vidal.
„Kuba hat im
Laufe seiner Geschichte gezeigt, dass es auf Druck
niemals reagiert hat noch reagieren wird, von wo er
auch kommen möge“, versicherte sie.
Sie stellte
klar, dass es einen Austausch gegeben habe, bei dem
jede Partei ihre Ansichten und Meinungen über die
Ausübung der Menschenrechte bestätigt habe. Kuba
bekräftigte seinen Vorschlag, spezifische Gespräche
zu einem festzulegenden Termin zu führen, um in
einem respektvollen Dialog auf der Grundlage der
Gegenseitigkeit die Positionen der beiden Länder zu
den Menschenrechten und zur Demokratie zu behandeln.
Kuba habe
Bedenken über die Ausübung der Menschenrechte in den
USA, während Kuba gleichzeitig erachte, dass es
interessante Erfahrungen auf diesem Gebiet vorweisen
könne.
Vidal
antworte auch auf eine Frage in Bezug auf die
Notwendigkeit, das Misstrauen von über 50 Jahren
überwinden zu müssen, und ob die kubanische
Delegation heute ihrer Gegenseite mehr als vor zwei
Tagen vertraue.
„Worauf ich
vertraue, ist eine bessere Zukunft für unsere
Länder. Wir sind Nachbarländer, wir haben
tiefgreifende Differenzen, aber wir haben gesehen,
wie in der Welt Länder mit tiefen Differenzen
friedlich nebeneinander existieren können,
zivilisiert, um Lösungen für gemeinsame Probleme zu
finden und damit zu mehr Wohlergehen für den Rest
der Welt beizutragen“, antwortete sie.
„Ich
vertraue darauf, dass wir unabhängig von den
Unterschieden zwischen Kuba und den USA – die
vorhanden sind und erhalten bleiben, denn wir haben
beide sehr starke Überzeugungen, aus historischen,
kulturellen Gründen, etc. – einen Modus Vivendi
finden können, ein friedliches Zusammenleben, um
unsere Differenzen mit Respekt zu diskutieren und in
der Zusammenarbeit in Bereichen von gemeinsamem
Interesse voranzukommen.“
Sie sagte,
sie verfüge nicht über eine Vorrichtung zur Messung
des Vertrauensgrades, aber beide Regierungen
tauschten sich seit einiger Zeit über Möglichkeiten
der gemeinsamen Arbeit in bestimmten Gebieten aus.
Was diese
Treffen ermöglicht hätten, schloss sie, sei zu
bestätigen, dass das Interesse vorhanden sei, weiter
in diesen Bereichen zu arbeiten und die
Zusammenarbeit zum gegenseitigen Nutzen zu
erweitern. „Ich denke, das ist ein guter Anfang.“
|